Ein Gestaltungskonzept mit heimatbezogenem Hintergrund: Genau wie der Standort der Stadt Pirna, am Tor zur malerischen Sächsischen Schweiz, verkörpern auch die Mehrfamilienhäuser der Sandsteingärten mit üppigen Gärten und Parkanlagen das Wohnen in direkter Verbindung zur Natur. Verantwortlich für die im Namen erkennbare Hommage an den ehemaligen Industriestandort der Sandsteinwerke ist der Pirnaer Architekt Uwe Seidel. Seit nun schon 30 Jahren realisiert er als Inhaber des Architekturbüros Seidel+Architekten gemeinsam mit seinem Team viele Projekte in und um Pirna herum – mit dem Anspruch, die Region reizvoller und lebenswerter zu gestalten. „Ich bin in Pirna groß geworden, bin hier durch die Gassen und Straßen gelaufen. Ich lebe gern hier – schon immer. Mir gefällt die hügelige Landschaft, die Nähe zur Natur. Das Leben an der Elbe und dass es mittlerweile eine schön sanierte Altstadt gibt.“
Weggehen möchte er nicht – wo er die Arbeit doch hier auch direkt vor der Nase hat. „Es tut sich viel, bei uns im Osten – schon seit der Wende klotzen wir ran. Es werden Baulücken gefüllt, moderne Häuser und Anlagen entworfen und historische Objekte hingebungsvoll saniert. Genau das sind die Projekte, die uns inspirieren, tagtäglich motivieren und für die wir als ganzes Team leben und brennen. Die Sandsteingärten sind dafür ein sehr gutes Beispiel: Sie repräsentieren Lebensqualität durch naturnahes Wohnen und erfüllen modernste Ansprüche von der hohen Ausstattung der Wohnungen bis hin zu den Stellplätzen für Autos und Fahrräder mitsamt Elektroanschlüssen in der Tiefgarage. Jede Wohnung hat Blickbeziehungen ins Grüne. Auch die Lage der Wohnhäuser stellt mit der direkten Verkehrsanbindung öffentlicher Verkehrsmittel in die Landeshauptstadt Dresden oder den Nationalpark Sächsische Schweiz eine Besonderheit für eine Kleinstadt wie Pirna dar.“
Die Planungsphase der Sandsteingärten samt vorgeschaltetem Bebauungsplan dauerte etwa zwei Jahre. Wichtiger Grundsatz war ein sparsamer Umgang mit innerstädtischen Flächenressourcen, die einer architektonischen Leitlinie folgen. Damit entsteht eine gestalterische Einheit eines ganzen Wohngebietes, welches den unterschiedlichsten Bewohnerinnen und Bewohnern Identität stiften soll – unabhängig von Alter, Familienkonstellation und Mobilität. Die dafür notwendige Individualität der einzelnen Wohnungen wurde durch verschiedene Haustypen und deren Standorte und Grundrisse geschaffen. Dabei wurde bei der Aufteilung der Gebäude auf die Belichtung und Querlüftung sowie den Zugang zum Grünbereich geachtet. Dachterrassen, Balkone und eigene Gärten schaffen einen privaten Raum im Außenbereich und können nach bevorzugter Himmelsausrichtung und der damit einhergehenden Besonnung frei gewählt werden. Der Baustil der Villen folgt der Formensprache des Neoklassizismus, was an den Pfeilern, Gesimsen, Faschen und Lisenen zu erkennen ist und in einer breiteren Gesellschaftsgruppe Anklang findet, als ein moderner Baustil. Um Lebensqualität, das harmonische Zusammenleben und den Austausch der Bewohnerinnen und Bewohner zu fördern, sind öffentliche Garten- und Parkbereiche zwischen den Gebäuden eingeplant. Auch die Tiefgarage spielt in der Umsetzung eine entscheidende Rolle, da sie das Parken unter der Erde zugunsten einer stärkeren Begrünung zwischen den Villen ermöglicht.
Simulation einer nachhaltigen Zukunft
Doch nicht nur aus ästhetischer Sicht ist die unterirdische Parkfläche eine ideale Lösung für die Wohnanlage an der Siegfried-Rädel-Straße. Schon seit jeher ist das Szenarium Hochwasser ein zentrales Thema der Stadtgeschichte. Um diese Problematik für Bewohnerinnen und Bewohner der Sandsteingärten zu lösen, hat sich das Architekturbüro im Zuge der Bauleitplanung einen Fachberater hinzugezogen und ein dynamisches Wassermodell erstellen lassen, was die Auswirkungen und Folgen eines Hochwassers im bebauten Gebiet aufzeigt. Daraufhin wurde die Tiefgarage mittels der Simulation des Jahrhunderthochwassers aus dem Jahre 2002 so geplant, dass sie als Retentionsvolumen fungieren kann. Mit einem Fassungsvermögen von insgesamt 42.363 m³ werden somit nicht nur alle Villen einschließlich der Erdgeschosswohnungen trocken gehalten – auch die Pirnaer Altstadt profitiert von diesem Plan. Die Berechnungen zeigen ein insgesamt wesentlich verbessertes Abflussverhalten des Wassers aus der Innenstadt auf. Bei einem Blick auf die Baustelle sind die ersten Wände der Tiefgarage bereits ersichtlich. Der wasserundurchlässige Beton wird vor Ort verarbeitet und in die Schalung gegossen. Die Höhe der Tiefgarage lässt sich schon langsam an den bereits fertiggestellten Stahlbetonstützen erkennen.
Eine selbstgezeichnete Karriere
Angefangen hat Uwe Seidel im Jahre 1991, damals noch mit Reißbrett und Tusche im Schlafzimmer der gemeinsamen Wohnung mit seiner Frau Annette Katrin Seidel, die heute für den Bereich der Innenarchitektur bei Seidel+Architekten verantwortlich ist. „Damals gab es einen Architekturwettbewerb.“, erinnert sich Uwe Seidel. „Die evangelische Kirche in Pirna wollte einen neuen Kindergarten bauen lassen. Darauf aufmerksam geworden bin ich nur, weil mein ältester Sohn in genau diesen Kindergarten ging.“ Er entschloss sich ohne lang zu überlegen, am Wettbewerb teilzunehmen, setzte sich hin und entwarf sein erstes Projekt, das als Gewinnerentwurf gekürt wurde und der erste Auftrag einer erfolgreichen Karriere als Architekt sein sollte.
Im Laufe der 30-jährigen Planungstätigkeit kamen viele weitere stadtprägende Objekte wie das Marieneck, das Tom-Pauls-Theater, das Schloss Sonnenstein und zuletzt das Scheunenhofcenter in Pirna hinzu. “Städtebaulich schwierige Lücken, historisch wertvolle Altbauten und Großprojekte wie die Sandsteingärten machen nach wie vor am meisten Spaß – damit kann ich wohl für das gesamte Team sprechen. Sie sind meist anspruchsvoller, dauern länger und sind herausfordernder in der Umsetzung. Je nach Standort und Anforderungen ist es spannend, eine gestalterisch schöne Lösung für die Bauaufgabe zu finden.“, erzählt er mit leuchtenden Augen. „Dabei gibt es quasi so gut wie nie einen Wiederholungsfall, weil jeder Standort anders ist. Es herrscht ein anderer Kontext im Stadtgefüge, die Blickbeziehungen sind anders, mal muss man höher, breiter, kürzer bauen – mal zurückhaltender und dann wieder vordergründiger. Die Herausforderungen hören also nie auf. Das ist das schönste an diesem Beruf!“
Im Ausnahmefall entwirft das 14-köpfige Team auch Einfamilienhäuser für Privatpersonen. „Das ist aber nur der Fall, wenn der Bauherr einen hohen Anspruch an die Architektur und deren Gestalt hat.“, räumt Uwe Seidel verschmitzt ein und erklärt, dass die Art der Aufträge, die von Seidel+Architekten bearbeitet werden, auch der Firmenstruktur zuzuschreiben sind. „Im Grunde gibt es drei verschiedene Arten von Architekturbüros. Am bekanntesten sind die großen Star-Architekten, die oftmals als Vorreiter für neue Baustoffe, Bautechnologien und mit noch nie gebauten Strukturen glänzen. Diese haben meist ein internationales Mitarbeiterteam und sind für Vorzeigebauten der Gesellschaft wie Museen, Flughäfen und Theaterbauten sehr prädestiniert. Das Gegenteil sind Kleinstbüros mit ein bis drei Mitarbeitenden, von denen es sehr viele gibt. Diese bearbeiten in der Regel nur kleine Projekte. Dazwischen liegen mit 5 bis 50 Mitarbeitenden die Mittelständler in der Architekturszene. Diese Büros bewältigen eine Vielzahl von Bauaufgaben und gestalten im Wesentlichen unsere Städte und unsere Heimat. Zu denen gehören wir – obwohl wir fast ausschließlich für die Privatwirtschaft arbeiten und kaum staatliche Aufträge betreuen.“ Die Hauptaufgabe von Uwe Seidel als Büroinhaber besteht im Wesentlichen aus Akquise, Ideenfindung und Rücksprache mit Fachämtern sowie dem Überwachen der Abhandlung von wesentlichen Planungsschritten im Entwurfsprozess eines Projektes. „Oft treffe ich mich mit Bauherren und Auftraggebenden, stelle die Ideen vor und verteidige die Entwürfe und Pläne meines Teams, das wirklich großartige Arbeit leistet.“, erläutert er. Zudem überprüft er ständig, ob der Qualitätsanspruch eingehalten wird und der Leitfaden, der sich durch ein Projekt zieht, vom Entwurf bis zum Bauende stimmig ist. Dabei ist das Kredo stets, dass ordentlicher Städtebau betrieben wird, der durch eine Vereinigung von Funktion und Gestalt qualitätvolle Orte entstehen lässt. So schafft und erhält man langfristig eine schöne, identitätsstiftende Heimat, in der gern gearbeitet und gelebt wird. Dafür ist der Architekt teilweise sogar jahrelang mit dem Suchen von Investoren beschäftigt, die bereit sind, Geld für unsanierte Altbauten zur Verfügung zu stellen und in die Stadt Pirna zu investieren.
Der politische Einfluss ist als regional bekannter Architekt jedoch nicht so groß, wie die Menschen oft mutmaßen. Entscheidungen und Vorgaben aus der Politik sind in den meisten Fällen nur weitere Herausforderungen, die bei der Umsetzung von Projekten beachtet werden müssen. „Wenn man auf Missstände hinweisen kann, Anregungen zu Verbesserungen geben kann und dabei auf offene Ohren trifft, ist das schon gut genug. Wird man dabei für eine gute gestalterische Leistung von der Verwaltung geschätzt, ist das für mich, als Architekt, schon ein wirklich großes Lob. Das kann eigentlich nur noch getoppt werden, indem unsere Bauwerke ehrlichen Anklang in der Gesellschaft finden und sich die Leute lange daran erfreuen. Haben wir das erreicht, ist ein Projekt dann ein echter, dauerhafter Erfolg.“
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